Wie Chefs ihre Angestellten überwachen dürfen

Videoüberwa­chung an öffent­lichen Plätzen ist ein Thema, das derzeit in Politik und Medien heftig disku­tiert wird. Im Arbeit­salltag werden Angestellte teilweise schon seit Langem überwacht – oft auch mithilfe von Kameras. Aber auch E-Mails oder Chat-Proto­kolle finden ihren Weg zu den Vorge­setzten. Welche Überwa­chung am Arbeits­platz erlaubt ist und was zu weit geht: Wir klären auf.

Vor einigen Jahren wurde bekannt, dass der Discounter Lidl seine Mitar­beiter syste­ma­tisch bespitzeln ließ, Videoüberwa­chung inklusive. Fast anderthalb Millionen Euro musste der Konzern in der Folge zahlen. Mitar­beiterüberwa­chung ist also kein Kavaliers­delikt in Deutschland. Und ist dennoch zulässig – in bestimmten Grenzen.

1. Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Urteilen entschieden, dass eine Überwachung zulässig sein kann, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung besteht und sie nicht insgesamt unverhältnismäßig ist.  Vor einer verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz müssten erst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Die Überwachung hält der Verhältnismäßigkeitsprüfung nur stand, wenn alle denkbaren weniger belas­tenden Methoden zur Aufklärung eines Verdachtes ergeb­nislos geblieben und die verdeckte Überwa­chung das praktisch letzte zur Aufklärung verbliebene Mittel ist. Schließlich ist dieser Schritt ein erheb­licher Eingriff in das Persönlich­keits­recht der Angestellten. (Auswahl der Urteile des BAG: 22. September 2016; AZ.: 2 AZR 848/15; 26. August 2008; AZ.: 1 ABR 16/07; 21. Juni 2012; AZ.: 2 AZR 153/11; 20. Juni 2013; AZ.: 2 AZR 546/12).

Aller­dings unter­scheidet die Recht­spre­chung dabei stets zwischen der Zugänglichkeit des jewei­ligen Raums: Handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Bereich (zum Beispiel einen Biergarten) mit Publi­kums­verkehr, dürfen zur Aufga­benerfüllung – etwa der Einhaltung des Hausrechts – auch Kameras instal­liert werden. Hierbei darf es aber nicht primär um die Mitar­beiterüberwa­chung gehen.

Videoüberwachung im Betrieb nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig

Sollten, um bei dem Beispiel zu bleiben, auch Beschäftigte wie Kellner, Bierzapfer oder Kassierer dauerhaft von der Überwa­chung per Kamera betroffen sein, ist sie aber nur eingeschränkt erlaubt.

Die Videoüberwachung muss kenntlich gemacht werden, und Arbeitnehmer dürfen nur dann miterfasst werden, wenn der Einsatz verhältnismäßig ist, es sich etwa objektiv um einen Risikobereich handelt, der überwacht werden muss.

Nicht öffentlich zugängliche Räume sind in der Regel Betriebe. Hier ist eine dauer­hafte Videoüberwa­chung durch den Arbeit­geber nur ausnahms­weise erlaubt und auch nur dann, wenn er besondere Sicher­heits­in­ter­essen hat. Eine weitere Ausnah­me­re­gelung kann gelten, wenn die Videoüberwa­chung hilft, Straf­taten durch einen Mitar­beiter aufzuklären.

Mitarbeiterüberwachung: Probleme im Fall eines Gerichtsstreits

Fragen zur Videoüberwa­chung am Arbeits­platz beschäftigen die Gerichte meist dann, wenn ein Angestellter wegen einer frist­losen Kündigung vor Gericht zieht – wegen eines Vergehens, dass der Arbeit­geber via Überwa­chungs­kamera dokumen­tiert hat. Dann geht es oft um die Frage, ob die Überwa­chung gerecht­fertigt gewesen ist.

Nach neuerer Rechtsprechung (BAG 22. September 2016; AZ: 2 AZR 848/15) kommt es nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer die erhobenen Vorwürfe vor Gericht bestreitet. Wenn der Arbeitgeber sie nur durch eine vom Gericht als rechtswidrig, weil unverhältnismäßig angesehene Videoaufzeichnung beweisen könnte, darf dieses rechtswidrige Beweismittel nicht für das Urteil verwendet werden.

2. Mitlesen von E-Mails und dem Browser-Verlauf

Wie sieht es mit der Überwa­chung des Computers aus? Wenn die private Nutzung des Arbeits­com­puters verboten ist, darf der Arbeit­geber im Grunde alles kontrol­lieren: E-Mails, Browser-Verläufe, Chat-Proto­kolle. Entscheidend ist hier, ob die private Nutzung explizit untersagt oder unter Umständen doch geduldet sei.

Sollte ein Arbeit­geber zufällig auf eine offen­sichtlich private E-Mail stoßen, etwa, weil das aus der Betreff­zeile hervorgeht, sollte er diese jeden­falls nicht in Abwesenheit des Arbeit­nehmers öffnen. Zwar entschieden die Gerichte hierzu aktuell unter­schiedlich, doch zeigt die Entwicklung der vergan­genen Jahre, dass dem Daten­schutz zunehmend Vorrang eingeräumt wird.

Bundesarbeitsgericht: Spähsoftware nur in Ausnahmefällen erlaubt

Mitar­beiter verdeckt mit einer Spähsoftware auf dem Firmen­com­puter zu überwachen ist nur in sehr engen Grenzen erlaubt. So hat das Bundes­ar­beits­ge­richt (BAG) am 27. Juli 2017 entschieden (AZ: 2AZ R 681/16). Demnach sind sogenannte Keylogger, die alle Tasta­turein­gaben an einem Rechner proto­kol­lieren und Bildschirm­fotos schießen, zur Überwa­chung des Arbeits­ver­haltens unzulässig. Der Einsatz von Spähsoftware sei, so die Richter, ein massiver Eingriff in die Persönlich­keits­rechte von Arbeit­nehmern. Die Software einzu­setzen sei nur erlaubt, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwer­wie­gende Pflicht­ver­letzung des Arbeit­nehmers bestehe.

Die Richter des BAG erklärten deshalb die Kündigung eines Program­mierers aus Nordrhein-Westfalen für unwirksam. Sein Chef hatte ihm anhand von Daten des Tasta­tur­spions vorge­worfen, Teile seiner Arbeitszeit am Dienst-PC für private Zwecke genutzt zu haben.

Sollte ein Arbeitnehmer gegen die Regeln im Betrieb verstoßen, droht nach mindestens einer Abmahnung die fristlose Kündigung. In seltenen und extremen Fällen kann er auch direkt entlassen werden – doch ist das eher selten und unwahrscheinlich. Es passiert nur dann, wenn der Arbeitnehmer etwas tut, von dem er explizit weiß, dass es der Arbeitgeber nicht gestattet. Und selbst dann kommt es auf den Einzelfall an.

3. Mithören von Telefonaten

Mögen sich private E-Mails noch in einer recht­lichen Grauzone befinden, ist das beim Telefo­nieren anders. Das Mit- oder Abhören von Telefonaten ist absolut verboten. Gleichwohl kann der Arbeit­geber unter beson­deren Umständen über den Verbin­dungs­nachweis die Rufnummern überprüfen und darüber möglichen privaten Gesprächen auf die Schliche kommen.

Etwas anders ist es beispiels­weise bei Service-Hotlines. Hier dürfen Anrufe zu Qualitätszwecken aufge­zeichnet werden. Aller­dings müssen davon sowohl die Mitar­beiter in Kenntnis gesetzt werden als auch der Anrufer am anderen Ende der Leitung.

Nicht zulässig ist hingegen, Gespräche mit dem Smart­phone mitzu­schneiden. Nimmt ein Arbeit­nehmer ein Perso­nal­gespräch mit seinem Chef heimlich auf und kommt dies heraus, riskiert der Arbeit­nehmer seinen Job.

4. Protokollierung von Pausenzeiten

Wenn es in einem Unternehmen eine Arbeitszeiterfassung gibt, muss der Arbeitnehmer seine Pausen hier dokumentieren. In einigen Firmen wird gestempelt und wer eine Raucherpause machen möchte, kommt um die Protokollierung des Verlassens des Gebäudes gar nicht umhin. In vielen Betrieben gibt es dagegen eine individuell geführte digitale Arbeitszeiterfassung am Computer. Aber auch hier muss die Pausenzeit korrekt eingetragen werden.

Sollten Arbeitnehmer das nicht tun und erfährt der Chef davon, kann er abmahnen – für versuchten Arbeitszeitbetrug.

Verdacht auf Arbeitszeitbetrug: Darf Detektiv Arbeitnehmer überwachen?

Darf der Arbeit­geber einen Privat­de­tektiv mit der Beobachtung des Arbeit­nehmers beauf­tragen, wenn er den Verdacht hat, von einem Mitar­beiter betrogen zu werden?

Das ist nur in sehr engen Grenzen möglich und kann im Zweifelsfall eine schwere Verletzung des Persönlich­keits­rechts des überwachten Mitar­beiters bedeuten. Dies zeigt folgender Fall aus der Recht­spraxis:

Ein Betriebs­rats­vor­sit­zender hatte argumen­tiert, seine Betriebs­ratstätigkeit habe ein solches Ausmaß angenommen, dass er von der beruf­lichen Tätigkeit freige­stellt werden müsse. Das glaubte ihm sein Arbeit­geber nicht. Er vermutete, der Arbeit­nehmer begehe durch eine Zweittätigkeit Arbeits­zeit­betrug. Das Unter­nehmen beauf­tragte eine Detektei mit der Beobachtung des Arbeit­nehmers. Das erfuhr die Gewerk­schaft durch einen anonymen Hinweis.

Der Betriebs­rats­vor­sit­zende klagte auf die Zahlung einer Entschädigung wegen schwerer Verletzung seines Persönlich­keits­rechts. In der zweiten Instanz sprach ihm das Gericht eine Entschädigung von 10.000 Euro zu.

Die Beobachtung sei eine schwer­wie­gende Verletzung des Persönlich­keits­rechts des Arbeit­nehmers. Das Persönlich­keits­recht des Arbeit­nehmers könne auch dann schwer­wiegend verletzt sein, wenn der Arbeit­geber – wie hier – behauptet, er habe den Arbeit­nehmer ausschließlich während seiner Arbeitszeit beobachten lassen und es seien keine Fotos oder Videoauf­zeich­nungen angefertigt worden. Das allge­meine Persönlich­keits­recht ist auch im Arbeitsverhältnis und während der Arbeitszeit zu beachten.

Babysitter, Haushaltshilfe & Co: Ist Videoüberwachung zuhause erlaubt?

Wie sieht es mit Überwachung aus, wenn der Arbeitsplatz die heimischen vier Wände sind? Video­aufnahmen von Babysittern oder Haushaltshilfen sind nur dann erlaubt, wenn diese über die Überwachung informiert wurden und ihr ausdrück­lich zugestimmt haben.

Heimlich ist eine Überwachung in den eigenen vier Wänden, zum Beispiel durch den Einsatz einer als Spielzeug getarnten, sogenannten „Nanny-Cam“, nur ausnahms­weise erlaubt. Zum Beispiel, wenn es konkrete Anhalts­punkte für eine Straftat, wie zum Beispiel Diebstahl, gibt. Aber selbst dann spielen die Umstände noch eine wichtige Rolle und im Zweifelsfall wird ein Gericht die Persönlichkeitsrechte der überwachten Person mit dem Tatvorwurf abwägen: Wer eine Kamera aufstellt, weil Lebens­mittel aus dem Kühl­schrank verschwunden sind, könnte unver­hält­nismäßig handeln. Wenn Geld oder Schmuck vermisst wird, kann die Sache schon wieder anders aussehen.

In jedem Fall gilt: Die heimliche Video­über­wachung sollte nur zum Einsatz kommen, wenn sich Vorfälle nicht anders aufklären lassen. Wer einfach eine versteckte Kamera aufstellt, um beim Babysitter auf Nummer sicher zu gehen, geht das Risiko ein, wegen einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte verklagt zu werden.

Opfer einer unerlaubten Überwachung können grundsätzlich Schadensersatz verlangen. In welcher Höhe kommt dann wiederum auf den Einzelfall und die Frage an: Wie schwer wurden die Persönlichkeitsrechte verletzt? Wer zum Beispiel nackt, oder in einer anderen intimen Positionen gefilmt wurde, kann zum Beispiel mehr verlangen als jemand, der nur beim TV-schauen aufgenommen wurde.

Überwachung am Arbeitsplatz: Betriebsrat kann entscheidend mitreden

Ob Videoüberwachung, privater Mail-Verkehr oder Arbeitszeiterfassung: Gibt es in dem betreffenden Unternehmen einen Betriebsrat, muss dieser in die Praxis der Unternehmensleitung mit einbezogen werden und möglichen Überwachungsmechanismen zustimmen. Das regelt § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes.

Fragen zur Überwachung am Arbeitsplatz? Lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt beraten

Sie fühlen sich von Ihrem Arbeit­geber zu Unrecht oder in zu hohem Maße überwacht? Sie haben wegen eines Vergehens eine Abmahnung oder gar eine Kündigung erhalten, das Ihr Arbeit­geber aufgrund von Videoüberwa­chung bemerkt hat? In solchen und ähnlichen Fällen kann es helfen, sich von einem Rechts­anwalt für Arbeits­recht beraten zu lassen. Er kann einschätzen, wie Sie am besten vorgehen und ob ein Gerichts­ver­fahren sinnvoll ist.

Oder sind Sie Arbeit­geber und möchten wissen, wie Sie Ihre Mitar­beiter überwachen dürfen, ohne in deren Persönlich­keits­rechte einzu­greifen? Oder befinden Sie sich in einem Konflikt mit einem Mitar­beiter, der sich zu unrecht überwacht fühlt? Ein Rechts­anwalt für Arbeits­recht können Sie dazu beraten, was in Ihrem Fall die beste Lösung ist.

Quelle: Deutsche Anwaltauskunft