Vorsor­ge­voll­macht: So sichern Sie sich für den Ernstfall ab

Alter, Krankheit, Unfall – es gibt viele Gründe, aus denen Menschen nicht mehr für sich selbst sorgen und entscheiden können. Für diese Fälle kann man vorsorgen, und zwar mit einer sogenannten Vorsor­ge­voll­macht. Damit sie ihren Zweck erfüllt, gilt es, einige Regeln zu beachten. Wir erklären, worauf Sie achten müssen.

Die Bundesbürger sorgen vor: Immer mehr Deutsche verfügen über eine Vorsor­ge­voll­macht. Alleine im Zentralen Vorsor­ge­re­gister der Bundes­notar­kammer sind 4,6 Millionen dieser Dokumente regis­triert (Stand Ende 2019). Das mag damit zu tun haben, dass unsere Gesell­schaft altert. Vielleicht spricht sich aber auch eine wichtige juris­tische Tatsache herum: Wenn man nicht mehr für sich selbst entscheiden kann, werden Ehepartner oder Angehörige nicht automa­tisch gesetz­liche Vertreter. Sie können nicht ohne Weiteres für ihren Partner, ihren Vater oder ihre Mutter entscheiden und für sie etwa in Opera­tionen einwil­ligen.

Was ist eine Vorsor­ge­voll­macht?

In einer Vorsor­ge­voll­macht bestimmt man selbst einen sogenannten Bevollmächtigten, für den Fall, dass man nicht mehr für sich selbst entscheiden kann. Ein Bevollmächtigter ist ein recht­licher Vertreter. Der Vollmacht­geber bestimmt verschiedene Lebens­be­reiche, die der Bevollmächtigte regeln darf, etwa Geld- und Bankan­ge­le­gen­heiten oder auch Fragen der medizi­ni­schen Versorgung.

Wann sollte man eine Vorsor­ge­voll­macht erstellen?

Ein Unfall kann jeden von heute auf morgen zu einem Pflegefall machen. Eine Vorsorgevollmacht ist deshalb auch für junge Menschen sinnvoll. Sie ist aber nur wirksam, wenn der Vollmachtgeber geschäftsfähig war, als er sie erstellt hat. Denn meist stellt er oder sie eine Generalvollmacht aus. Das ist eine starke rechtliche Erklärung mit weitreichenden Folgen. War eine Person beispielsweise bereits dement, als sie das Dokument verfasst hat, ist es unwirksam.

Wer muss unter­schreiben?

Eine Vorsor­ge­voll­macht muss der Aussteller unter­schreiben, also der Vollmacht­geber. Der Bevollmächtigte muss nicht unter­schreiben. Es ist aber natürlich sinnvoll, sie oder ihn zu infor­mieren.

Was passiert, wenn ich krank werde und keine Vorsor­ge­voll­macht habe?

In diesem Fall muss oft ein Gericht der Person einen recht­lichen Betreuer an die Seite stellen. Das kann ein Famili­en­mit­glied sein, aber auch ein profes­sio­neller Betreuer. Für das Gerichts­ver­fahren fallen natürlich auch Kosten an.

Wer bekommt das Original?

Vorsor­ge­voll­machten scheitern in der Praxis häufig an der schlichten Tatsache, dass die Verwandten sie nicht finden. Es ist deshalb wichtig, den Angehörigen Bescheid zu geben, wo das Dokument liegt. Der Aussteller behält zunächst das Original.

Wer sichergehen möchte, dass seine oder ihre Vorsorgevollmacht im Ernstfall gefunden wird, kann sie beim Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) der Bundesnotarkammer registrieren lassen. Die Betreuungsgerichte in ganz Deutschland haben darauf Zugriff. Wenn jemand einen rechtlichen Vertreter braucht, prüfen sie, ob die Person eine Vorsorgevollmacht hinterlegt hat. So kann sichergestellt werden, dass der richtige Betreuer schließlich die Entscheidungen trifft. Außerdem lässt sich so ein möglicherweise teures Verfahren vermeiden.

Muss man eine Vorsor­ge­voll­macht regis­trieren lassen?

Nein, verpflichtend ist das nicht. Auch muss man sie in der Regel nicht beurkunden lassen. Es ist aber sinnvoll und teils sogar vorge­schrieben, die Unter­schrift zum Beispiel bei der Betreu­ungsbehörde beglau­bigen zu lassen. Die Kosten dafür betragen zehn Euro. Eine Beglau­bigung ist natürlich auch beim Notar möglich.

Was ist der Unter­schied zu einer Betreu­ungsverfügung und einer Patien­tenverfügung?

In einer Betreuungsverfügung kann man vorschlagen, wer Betreuer werden soll, wenn das Gericht einem einen rechtlichen Betreuer an die Seite stellt, und Wünsche an diesen äußern. Betreuungsverfügungen können deshalb für Alleinstehende ohne nahe Verwandte sinnvoll sein. Eine Generalvollmacht stellt man damit nicht aus.

In einer Patientenverfügung legt man etwa medizinische Behandlungen insbesondere zum Lebensende fest, die man sich wünscht oder für sich ausschließt. Regelt eine Vorsorgevollmacht gesundheitliche Fragen und ärztliche Maßnahmen, sollte man sie mit einer Patientenverfügung kombinieren.

Wie erstellt man eine Vorsor­ge­voll­macht?

Das Dokument kann man handschriftlich oder elektro­nisch verfassen. Wichtig ist, sie mit Datum und Uhrzeit, dem Vor- und Nachnamen zu versehen und sie eigenhändig zu unter­schreiben, am besten notariell beglaubigt. Da sie verschiedene Lebens­be­reiche einzeln regelt und jeder Mensch andere Vorstel­lungen darüber hat, wie diese gestaltet sein sollen, sind vorge­fer­tigte Muster oder Formulare meist keine gute Wahl.

Stattdessen sollten sich Aussteller von einer spezialisierten Rechtsanwältin oder einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen, der das Dokument individuell und rechtssicher formuliert. Formale oder inhaltliche Fehler können dazu führen, dass Banken oder Pflegeheime Vollmachten nicht anerkennen. Sie sind für diesen Bereich dann nicht brauchbar.

Nach welchen Kriterien sollte man den Bevollmächtigten aussuchen?

Bei der Wahl des Bevollmächtigten sollte man auf drei Kriterien achten: Vertrauen, Fähigkeiten und Motivation. Dabei muss es nicht immer ein Verwandter sein, den man zum Bevollmächtigten macht. Denkbar ist auch, einen profes­sio­nellen anwalt­lichen Bevollmächtigten zu bestimmen.

Wer mit dem Bevollmächtigten eine Entlohnung für seine Tätigkeit oder gar eine Schenkung vereinbart, sollte dies schriftlich festhalten. Denn Bevollmächtigte können dann haftbar gemacht werden, wenn sie gegen Pflichten aus der Vollmacht verstoßen. Sie müssen alle Ausgaben in ihrer Tätigkeit gegenüber den Erben belegen, dazu sind sie rechtlich verpflichtet. Für Ausgaben, die ein Bevollmächtigter nicht belegen kann, können Erben Schadensersatz verlangen.

Sollte man einen Ersatz­be­vollmächtigten bestimmen?

Es empfiehlt sich, in einer Vorsor­ge­voll­macht einen Ersatz­be­vollmächtigten zu bestimmen. Denn Bevollmächtigte können ihre Aufgabe auch wieder abgeben. Es ist ohnehin niemand dazu verpflichtet, Bevollmächtigter zu werden. Und letztlich kann es natürlich auch passieren, dass der Bevollmächtigte selbst erkrankt.

Welche Nachteile hat eine Vorsor­ge­voll­macht?

Ist eine Vorsor­ge­voll­macht formal oder inhaltlich falsch oder unklar formu­liert, funktio­niert sie im Alltag nicht – oder sie hat Konse­quenzen, die der Austeller des Dokuments gar nicht wollte.

Er oder sie kann zum Beispiel eine „vermögensscho­nende Bevollmächtigung“ vorschreiben. Damit sollen das Vermögen und damit das Erbe erhalten bleiben. In der Realität bedeutet das aber: „Dem Vollmacht­geber wird etwa nur möglichst billige Kleidung und preis­wertes Essen gekauft. Beim Pflegeheim wird nicht auf die Qualität, sondern nur darauf geschaut, dass es wenig kostet“, berichtet der Anwalt aus der Praxis.

Wann ist eine Vorsor­ge­voll­macht ungültig?

Wenn der Aussteller nicht geschäftsfähig war, als er die Vollmacht aufge­setzt hat, ist sie unwirksam. Eine Person ist nicht geschäftsfähig, wenn sie nicht (mehr) in der Lage ist, selbstständig Rechts­geschäfte zu schließen. Zum Beispiel, weil sie dement ist. War jemand bereits an Demenz erkrankt und hat eine Vorsor­ge­voll­macht aufge­setzt, können die Gerichte auf die Idee kommen, dass er nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Das Dokument wäre dann nicht gültig.

Eine Vollmacht kann auch ungültig sein, wenn sie zwar inhaltlich und formal richtig, aber nicht beglaubigt ist, obwohl sie das sein müsste. Eine anwalt­liche Beratung kann solche Situa­tionen vermeiden: Spezia­li­sierte Vorsor­geanwältinnen und -anwälte oder Anwältinnen und Anwälte für Erb- und Famili­en­recht unterstützen und beraten bei allen Belangen rund um Vorsor­ge­voll­machten.

Können Vollmachten ausge­nutzt werden?

Das Risiko, dass eine Vollmacht missbraucht wird, besteht durchaus. Denn meistens handelt es sich um eine General­voll­macht. Der Bevollmächtigte kann auf das Bankkonto und das sonstige Vermögen des Vollmacht­gebers zugreifen, ohne dass dieser es kontrol­lieren kann. Denn er ist dazu ja nicht mehr in der Lage. Das kann einen Bevollmächtigten dazu verleiten, Geld und Vermögen zu stehlen. Betreu­ungs­ge­richte müssen bei vermögensrecht­lichen Fragen nicht zustimmen, ihnen müssen Bevollmächtigte auch die Rechnungs­legung nicht vorlegen.

Wie kann man den Missbrauch einer Vorsor­ge­voll­macht verhindern?

Besonders bei einer General­voll­macht besteht das Risiko, dass der Bevollmächtigte nicht nur zugunsten des Vollmacht­gebers handelt, sondern zum Beispiel auch Geld in die eigene Tasche steckt. Gegen Diebstähle oder anderen Missbrauch können sich Vollmacht­geber nicht nur bei einer General­voll­macht mit beson­deren Formu­lie­rungen und Klauseln schützen. Sie können etwa festlegen, dass der Bevollmächtigte nur begrenzt über das Vermögen oder die Immobilien bestimmen kann oder dies auch komplett ausschließen.

Außerdem kann man dem Bevollmächtigten jemanden zur Kontrolle an die Seite stellen, einen sogenannten Kontroll­be­vollmächtigten. Auf diese Aufgabe haben sich in den letzten Jahren zunehmend Rechtsanwälte spezia­li­siert.

Denkbar ist beispiels­weise auch, Umgangs­regeln in das Dokument aufzu­nehmen, die garan­tieren, dass der Vollmacht­geber und seine Familie oder seine Freunde sich sehen können, denn: Bevollmächtigte haben viele Rechte, sie können Verwandten sogar den Zugang zum Vollmacht­geber versperren.

Wie lange sind Vorsor­ge­voll­machten gültig?

Die Bestim­mungen enden nicht immer mit dem Tod des Ausstellers. Meist gelten sie weiter, Erben müssen sie explizit wider­rufen. Tun sie dies nicht schnell genug, kann der Bevollmächtigte weiter handeln und etwa Geld ausgeben.

Wie kann man eine Vorsor­ge­voll­macht wider­rufen oder ändern?

Wenn der Vollmacht­geber seinem Bevollmächtigten nicht mehr vertraut und lieber jemand anderen einsetzen würde, sollte er die Vollmacht wider­rufen. Gleiches gilt natürlich, wenn er sich inhaltlich andere Bestim­mungen wünscht.

Wer die Bestimmungen widerrufen will, kann dies jederzeit tun, wenn er geschäfts- und einwilligungsfähig ist. Andernfalls sind die Änderungen unwirksam und die alte Version bleibt bestehen.

Wer geschäftsfähig ist und an seiner oder ihrer Vollmacht etwas ändern oder sie ganz wider­rufen möchte, kann das mündlich oder schriftlich tun. Am sinnvollsten ist die schrift­liche Variante. Bei einer Änderung oder einem Widerruf sollte man die alte Vorsor­ge­voll­macht vom Bevollmächtigten heraus­ver­langen, gegebe­nen­falls den Notar infor­mieren und die Regis­trierung beim ZVR löschen. Wer seine Vollmacht zuhause aufbe­wahrt, zerstört sie am besten. Auch bei Änderung oder Widerruf kann eine anwalt­liche Beratung sinnvoll sein.

Hin und wieder kommt es auch vor, dass dritte die Vollmacht wider­rufen wollen, etwa das Pflegeheim oder (andere) Kinder des Ausstellers. Oft steht dann beispiels­weise der Vorwurf im Raum, dass der Bevollmächtigte zu viel Geld abhebt oder mit der Vollmacht ander­weitig verant­wor­tungslos umgeht. Um solchen Fällen vorzu­beugen, kann der Vollmacht­geber einen Kontroll­be­vollmächtigten einsetzen. Er hat ein Auge darauf, wie der Bevollmächtigte mit seiner Verant­wortung umgeht. Im Ernstfall kann er die Vollmacht auch wider­rufen.

Mehrere Vollmachten: Welche gilt?

Es kann vorkommen, dass jemand einen Unfall hat oder erkrankt – und die Angehörigen nicht nur eine Vorsor­ge­voll­macht finden, sondern mehrere. In diesem Fall ist nicht zwangsläufig die neuste gültig. Die älteste Vollmacht gilt, wenn der Vollmacht­geber zum Zeitpunkt der Erstellung geschäftsfähig war und er sie nicht wider­rufen hat. Eine neue Vollmacht zu schreiben, macht eine alte Version nicht automa­tisch ungültig. Auch wenn die Person zwar eine ältere Vollmacht wider­rufen und eine neue erstellt hat, zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr geschäftsfähig war, gilt das ältere Dokument weiter.

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Quelle: Deutsche Anwaltauskunft