Verkehrs­unfall: Neue Berech­nungs­me­thode für Schmer­zensgeld und Haushaltsführungs­schaden

Erstmals hat ein Oberlan­des­ge­richt das Schmer­zensgeld und den Anspruch aus einem Haushaltsführungs­schaden für Unfallopfer neu berechnet. Orien­tie­rungsmaßstab ist die Dauer der Behandlung des Unfallopfers. Bei der Haushaltsführung wird der gesetz­liche Mindestlohn zugrunde gelegt.

Für Schmer­zens­geld­be­rech­nungen greifen die Gerichte üblicher­weise auf Tabellen zurück. In diesen findet man – sortiert nach den Beeinträchtigungen und der Dauer der Einschränkungen – die Beträge, die andere Gerichte ausge­ur­teilt haben. Die Berechnung des Haushaltsführungs­schadens erfolgt üblicher­weise auf Basis von Tabellen, die nach Anzahl der Personen im Haushalt, der Frage der Erwerbstätigkeit und der Art des Haushalts diffe­ren­zieren.

Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Frankfurt am Main hat nun in einer Entscheidung vom 18. Oktober 2018 (AZ: 22 U 97/16) als erstes deutsches Oberlan­des­ge­richt das Schmer­zensgeld anhand einer neuen, tagge­nauen Methode berechnet. Außerdem berücksichtigt es beim Haushaltsführungs­schaden den moder­neren Zuschnitt der Haushalte und den gesetz­lichen Mindestlohn.

Unfall beim Wendemanöver – Schmerzensgeld und Schadensersatz

In dem von der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrs­recht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitge­teilten Fall ging es um einen Verkehrs­unfall. Der Unfall­ve­rur­sacher wendete sein Auto kurz vor der Einmündung zu einer Bundesstraße. Dabei stieß der Autofahrer mit einem Motor­rad­fahrer zusammen, der erheblich verletzt wurde. Er erlitt unter anderem einen kompli­zierten Speichen­bruch, eine HWS-Distorsion, eine Bauch­wand­prellung und dauer­hafte Sensi­bilitätsstörungen der Hand. Der Motor­rad­fahrer war über vier Monate krank­ge­schrieben und in der Haushaltsführung eingeschränkt.

Die Haftpflicht­ver­si­cherung des Autofahrers erkannte dessen Schuld an. Sie zahlte den Schaden am Motorrad sowie ein Schmer­zensgeld von 5.000 Euro. Das reichte dem Unfallopfer jedoch nicht aus. Das Landge­richt Darmstadt verur­teilte die Versi­cherung zu einem Schmer­zensgeld von 10.500 Euro und sprach auch den gefor­derten Haushaltsführungs­schaden zu. Mit der Berufung wollte die Versi­cherung die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Hinsichtlich der Positionen Schmer­zensgeld und Haushaltsführungs­schaden hatte sie auch vor dem Oberlan­des­ge­richt keinen Erfolg. Das OLG nahm vielmehr erstmals unter den Oberge­richten Berech­nungen vor, die auf einer neueren Methodik beruhen.

Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden – neue Berechnungsmethode

Die Richter sahen ein Schmer­zensgeld in Höhe von 11.000 Euro sowie einen Haushaltsführungs­schaden von 1.500 Euro als angemessen an.

Schmer­zensgeld dient dem Ausgleich nicht vermögensrecht­licher Schäden. Bei der Bemessung des Betrags steht der konkrete Einzelfall im Mittel­punkt. Das OLG nahm Abstand von den tabellenmäßig erfassten Schmer­zens­gel­dent­schei­dungen anderer Gerichte. Es hielt vielmehr eine Methode für angemessen, die die taggenaue Berechnung unter Berücksich­tigung der im Zeita­blauf unter­schied­lichen Behand­lungs­arten (Krankenhaus, Reha) und Schadens­folgen ermöglicht.

Diese neue Berech­nungs­weise wird wohl dazu führen, „dass bei langfris­tigen Beeinträchtigungen deutlich höhere Schmer­zens­gelder ausge­worfen werden, während bei geringen Beeinträchtigungen die Schmer­zens­gelder deutlich vermindert werden könnten, jeweils im Vergleich zu den heute ausge­ur­teilten Schmer­zens­geldbeträgen“, progno­s­ti­ziert das Gericht.

Bei langer Behandlung höheres Schmerzensgeld als bisher

Die neue Berech­nungs­weise basiert auf einem prozentual ausgedrückten Tagessatz des vom Statis­ti­schen Bundesamt ermit­telten jährlichen durch­schnitt­lichen Brutto­na­tio­nal­ein­kommens je Einwohner. Dieser wird mit einem weiteren prozentual ermit­telten Faktor für den Grad der Schädigungs­folgen multi­pli­ziert. Dabei kommt es auf das persönliche Einkommen des Geschädigten nicht an. Schmerz wird von allen Menschen gleich empfunden.

Auch beim so genannten Haushaltsführungs­schaden nahmen die Richter in Frankfurt eine neue Berechnung vor. Der Haushaltsführungs­schaden dient dem Ausgleich von Einbußen für die Eigen- und ggf. Fremd­ver­sorgung anderer Haushalts­mit­glieder. Die üblichen Tabellen beruhen auf tradi­tionell begründeten Unter­schei­dungen hinsichtlich des Zuschnitts der jewei­ligen Haushaltsführung. „In modernen Haushalten finden weitaus mehr Maschinen Einsatz als früher, es wird insgesamt weniger Wert auf klassische Vorbe­reitung oder auch klassische Darbietung des Essens gelegt“, stellte das OLG fest.

Unfallopfer: Haushaltsführungsschaden am Mindestlohn orientieren

Die neuen Tabellen, die auf aktuellen Erhebungen und Auswer­tungen des Statis­ti­schen Bundesamts beruhen, diffe­ren­zieren zwar auch hinsichtlich des Haushalts­zu­schnitts. Sie berücksich­tigen dafür aber allein die prakti­kable Unter­scheidung in Form des verfügbaren Netto­ein­kommens. Auf dieser Basis kann eher ein durch­schnitt­licher wöchent­licher Stunden­aufwand für die Haushaltsführung ermittelt werden. Dieser Stunden­aufwand wird mit einem Stundensatz für einfache Haushalts­ar­beiten multi­pli­ziert. Orien­tierung bietet dabei zunächst der gesetz­liche Mindestlohn. In besonders gehobenen Haushalten könne dieser Betrag angemessen – wie hier – auf 10 Euro pro Stunde erhöht werden.

Nach der bishe­rigen Methode wäre in diesem Fall die höchste Anspruchs­stufe mit 60,5 Stunden pro Woche ausge­wiesen worden. Die Stundensätze werden zwischen 6 und 10 Euro angesetzt.

Die hier vom OLG berücksich­tigten Erfah­rungs­werte weisen dagegen ausgehend vom Netto­ein­kommen einen Arbeits­anteil im Zweiper­so­nen­haushalt von 25,9 Stunden für die Frau und 18,55 für den Mann aus. Als Stundensatz wurde der zum Unfall­zeit­punkt geltende Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde zugrunde gelegt zzgl. eines gewissen Aufschlags wegen des gehobenen Haushalts­zu­schnitts.

Berechnungen des Schmerzensgeldes anwaltlich überprüfen lassen

Das Urteil führt dazu, dass bei Verfahren die Berech­nungen für das Schmer­zensgeld und den Haushaltsführungs­schaden neu zu berechnen sind, so die DAV-Verkehrs­rechtsanwälte. Gerade bei längeren Behand­lungen dürften sich daraus höhere Schmer­zens­gelder ergeben. Verkehrs­rechtsanwältinnen und Verkehrs­rechtsanwälte in Ihrer Nähe finden Siebei uns. Nach einem Unfall gilt: Sofort zum Anwalt. Vor allem für das Unfallopfer. Die Anwalts­kosten erhält man in aller Regel ersetzt. Zumal wegen der Änderung in der Recht­spre­chung.

Quelle: Deutsche Anwaltauskunft