Testament verschwunden: Ist es trotzdem gültig?

Um seine gewillkürte Erbenstellung nachzuweisen, muss man dem Nachlassgericht das Testament des Erblassers im Original vorlegen. Aber was passiert, wenn das originale Testament verschwunden und nicht auffindbar ist: Gibt es dennoch Möglichkeiten, den Inhalt des Testaments und somit die eigene Erbenstellung nachzuweisen?

Der Fall: Originales Testament verschwunden, nur Kopie vorhanden

In einem Ehegattentestament von 2004 ist einer von zwei Söhnen auf den Pflichtteil gesetzt. Als der Vater 2013 stirbt, ist das Testament unter „der Tischdecke mit der Nähmaschine darauf“ nicht mehr auffindbar. Kopien des Testamentes sind aber in einer Schublade unterhalb der Nähmaschine. Die Ehegattin beantragt gegenüber dem Nachlass einen Alleinerbschein zu ihren Gunsten.

Der enterbte Sohn tritt dem entgegen. Er argumentiert, das originale Testament sei nicht mehr vorhanden und die Echtheit der Unterschrift des Vaters werde bezweifelt. In einem Schreiben an das Gericht versichert die Mutter eidesstattlich, nicht im Besitz des originalen Testaments zu sein, das Testament mit dem Erblasser gemeinsam errichtet zu haben und angeben zu können, dass die Unterschrift vom Erblasser stamme. Zudem legt sie ein Schreiben eines Rechtsanwalts vor, in welchem dieser den Text des Testamentes vorformuliert, den die Eheleute daraufhin eigenhändig abgeschrieben und unterzeichnet haben.

Das Nachlassgericht hat daraufhin einen Alleinerbschein erlassen. Weil der Sohn hiergegen Beschwerde einlegt, muss das OLG Karlsruhe entscheiden.

Testament verschwunden: Kopie alleine genügt nicht als Nachweis

Das OLG Karlsruhe erklärt, dass das Nachlassgericht sich nicht mit schriftlich eingereichten Unterlagen begnügen darf. Zwar erfüllt die Fotokopie eines Testaments als solche nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament; allein aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht also nicht abgeleitet werden.

Das ändert aber nichts daran, dass auf andere Weise der Nachweis geführt werden kann, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat. An die Beweisführung, bei der die Feststellungslast nach allgemeinen Regeln dem vom Testament Begünstigten obliegt, sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen.

Ist dann der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts der Verfügung erbracht, ist die Rechtslage genauso zu beurteilen, wie wenn ein originales Testament vorlegt wird.

Testament nicht auffindbar: An sich noch kein Beweis der Unwirksamkeit

Ein formgültiges Testament behält seine Wirkung so lange, bis es vom Erblasser wirksam widerrufen wird. Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besagt für sich allein noch nichts; sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.

Ermittlungen und Anhörung der Beteiligten notwendig

Wenn das Original eines Testamentes verschwunden ist, und der Nachweis des Erbrechts auf eine Kopie des Testaments gestützt wird, bedarf es besonders sorgfältiger Ermittlungen. Kommt es wie hier diesbezüglich auf die Angaben von Zeugen an, ist allein schon zur Wahrung des Anwesenheits- und Fragrechts der Beteiligten nur der „Strengbeweis“ sachgerecht. Im Rahmen dessen muss eine mündliche Verhandlung mit einer Beweisaufnahme durchgeführt werden.

Gericht: Auch verschwundenes Testament kann gültig sein

Der Senat hat diese Beweisaufnahme durchgeführt und ist auf Grund des Ergebnisses seiner Anhörung der Beteiligten und der Beweisaufnahme durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens davon überzeugt, dass der Erblasser und seine Ehefrau ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie des Testaments ersichtlichen Inhalt errichtet haben. Ein Widerruf dieses Testaments ist nicht feststellbar. Obwohl das Originaltestament nicht mehr auffindbar ist, ist die Ehefrau durch dieses Erbin geworden. So die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2015 (AZ: 11 Wx 78/14).

Quelle: Deutsche Anwaltauskunft