Schnelle Hilfe: Einst­weilige Verfügung und einstweilige Anordnung

Die einst­weilige Verfügung, im Famili­en­recht und im öffent­lichen Recht auch einst­weilige Anordnung genannt: Sie ist der einfachste und schnellste Weg, eine vorläufige gericht­liche Anordnung zur Sicherung von Ansprüchen zu erwirken. Hier lesen Sie, was Sie als Antrag­steller und als Antrags­gegner einer Verfügung wissen müssen.

Sie sind inneha­bende Person eines Unter­nehmens und haben festge­stellt, dass die Konkurrenz das Design Ihrer Produkte kopiert. Oder Sie wurden unrechtmäßig gekündigt und haben ein Recht darauf, Ihrer Arbeit weiter nachzu­gehen ‒ aber Ihr Chef lässt Sie nicht. Dann kann Ihnen die einst­weilige Verfügung (EV) helfen.

Ob Wettbe­werbs­recht, Handels­recht oder Arbeits­recht: Ganz gleich, in welchem Bereich Ihnen Unrecht wider­fahren ist, die einst­weilige Verfügung bietet Ihnen vorläufigen und schnellen Rechts­schutz. Unter welchen Umständen Sie eine einst­weilige Verfügung erwirken können, lesen Sie zu Beginn. In einem zweiten Teil erfahren Sie, wie Sie auf eine einst­weilige Verfügung reagieren können.

Wie kann ich eine einst­weilige Verfügung erwirken?

Mit einer einstweiligen Verfügung sorgen Sie für vorläufigen Rechtsschutz – und zwar immer dann, wenn besondere Eilbedürftigkeit besteht. Durch Ihren Antrag leiten Sie ein gerichtliches Eilverfahren ein, das den Schutz Ihrer Rechte schon vor einer Gerichtsentscheidung im eigentlichen Hauptsacheverfahren sicherstellt. Und das meist ohne Anhörung und sehr zeitnah.

Welche Voraus­set­zungen müssen vorliegen?

Das einst­weilige Verfügungs­ver­fahren ist in der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO) geregelt. Folgende Voraus­set­zungen sind nötig, damit Sie einen Antrag stellen können:

  • Es muss ein Verfügungsanspruch vorliegen: Im Klartext: Sie müssen Ihren Anspruch gegenüber dem Schuldner glaubhaft machen. Dabei kann es um die Herausgabe von dringend benötigten Gegenständen oder um das Unterlassen bestimmter Handlungen gehen. Jedoch darf der Anspruch im Eilverfahren in der Regel nicht auf die Zahlung von Geld gerichtet sein; eine Ausnahme besteht im Unterhaltsrecht.
  • Es muss einen Verfügungsgrund geben: Der Vorteil der EV ist, dass sie schnellen Rechtsschutz bietet. Der wird aber nur gewährt, wenn dringender Handlungsbedarf besteht. Demnach müssen Sie dem Gericht möglichst lückenlos glaubhaft machen, dass Ihr Anspruch gefährdet oder die Erhaltung des Rechtsfriedens ohne den vorläufigen Rechtsschutz in Gefahr ist. Ob Sie diese besondere Dringlichkeit glaubhaft machen können, hängt davon ab, wann Sie von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt haben.
  • Sie müssen Ihr Anliegen glaubhaft machen: Sie haben einen Anspruch und es ist Eile geboten. Jetzt gilt es, den Tatbestand glaubhaft zu machen. Dazu kommen alle gängigen Beweismittel sowie Urkunden oder eidesstattliche Versicherungen von Ihnen oder Zeugen infrage. Machen Sie dem Gericht die Sachlage so deutlich, dass keine Zweifel an der Richtigkeit und Dringlichkeit Ihres Antrages offenbleiben. „Dabei kann es erforderlich werden, sogar auf vorgerichtlich geäußerten Vortrag der Gegenseite einzugehen und diesen im Antrag zu widerlegen“, sagt Dr. Kalkbrenner. „Vorgerichtliche Korrespondenz sollten Sie dem Antrag beifügen, um dem Gericht nichts vorzuenthalten.“
  • Es muss ein Verfügungsgesuch geben: Ein Verfügungsgesuch ist nichts anderes als der eingereichte Antrag. Diesen können Sie direkt beim zuständigen Gericht oder zu Protokoll bei der Geschäftsstelle abgeben.

Der nächste Schritt: Vollziehung der einst­wei­ligen Verfügung

Hat das Gericht für den Antrag­steller entschieden, wird die einst­weilige Verfügung erlassen. Ab wann der gericht­liche Titel zu befolgen ist, richtet sich nach der Art der Entscheidung. Folgende Optionen gibt es:

1. Das Gericht entscheidet per Beschluss

Per Beschluss bedeutet, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung über den Erlass entschieden hat. Die Verfügung wird damit erst gültig, wenn Sie als Antrag­steller dem Antrags­gegner den Erlass innerhalb einer Monats­frist zukommen lassen. In der Regel wird eine beglau­bigte Abschrift der vollstreck­baren Ausfer­tigung des Beschlusses zugestellt.

Wurde der Antrags­gegner vorge­richtlich von einem zustel­lungs­be­vollmächtigten Anwalt vertreten, stellen Sie die beglau­bigte Abschrift unbedingt dem Anwalt zu. Gibt es mehrere Antrags­gegner, so müssen Sie jedem ein Schriftstück zustellen. War der Antrags­gegner vorge­richtlich nicht anwaltlich vertreten, so erfolgt die Zustellung an den Antrags­gegner selbst, am besten durch den Gerichts­voll­zieher.

Haben Sie die Monats­frist verstreichen lassen, kann das Gericht die Verfügung wieder aufheben – mit negativen Folgen für Sie: Bei einem erneuten Antrag wird es aller Voraus­sicht nach schwierig werden, die Dring­lichkeit zu beweisen.

2. Das Gericht entscheidet per Urteil

Wurde die Verfügung nach mündlicher Verhandlung durch ein Urteil erlassen, so ist das Urteil grundsätzlich mit der Verkündung wirksam. Die einmo­natige Vollzie­hungs­frist beginnt unmit­telbar nach dem Urteilss­pruch. Innerhalb der Frist muss das Gericht die Verfügung ausfer­tigen und der Antrag­steller sie dem Antrags­gegner zustellen.

II. Wie kann ich eine einst­weilige Verfügung abwenden?

Sie haben eine Verfügung erhalten und wissen nicht, wie Sie damit umgehen sollen? Wir zeigen Ihnen fünf Möglich­keiten, rechtlich mit Hilfe eines Rechts­an­waltes, auf eine EV zu reagieren:

Möglichkeit 1: Schutz­schrift

Ahnen Sie, dass eine einst­weilige Verfügung gegen Sie ergehen könnte, etwa weil Sie eine vorge­richt­liche Abmahnung erhalten haben, können Sie eine sogenannte Schutz­schrift beim Zentralen Schutz­schrif­ten­re­gister einreichen. In der Schutz­schrift können Sie dem zuständigen Gericht aufzeigen, weshalb ein etwaiger Antrag zurückzuweisen ist – oder jeden­falls nicht ohne mündliche Verhandlung darüber entschieden werden sollte. Mithilfe einer Schutz­schrift vermeiden Sie also, dass das Gericht nur auf Grundlage einsei­tigen Vortrags des Antrag­stellers entscheidet.

Möglichkeit 2: Wider­spruch

Sie können Wider­spruch einlegen, wenn eine Beschlussverfügung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Bitte beachten Sie aber, dass Ihr Rechts­behelf die Verfügung nicht sofort aufhebt. Solange das Gericht nicht über Ihren Wider­spruch entschieden hat, sollten Sie sich deswegen an die in der Verfügung festge­setzten Auflagen halten. Nach der Einrei­chung Ihres Wider­spruchs erhalten Sie vom Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung. Im Laufe der mündlichen Verhandlung haben Sie die Chance, Ihren Stand­punkt zu vertei­digen. Hat das Gericht dem Wider­spruch statt­ge­geben, ist die Verfügung vom Tisch und die Auflagen sind passé. Die Verfah­rens­kosten werden der unter­le­genen Partei auferlegt.

Möglichkeit 3: Berufung

Wenn Sie – wegen einer nach mündlicher Verhandlung ergan­genen Urteilsverfügung oder einer nach Wider­spruch bestätigten Verfügung – in Berufung gehen, wird der Fall in zweiter Instanz entschieden. Aber Vorsicht ‒ eine Berufung ist Chance und Risiko zugleich. Sollten Sie das Berufungs­ver­fahren verlieren, tragen Sie automa­tisch die gesamten Verfah­rens­kosten. Deswegen sollten Sie gründlich abwägen, wie sinnvoll eine Berufung in Ihrem Fall ist.

Möglichkeit 4: Haupt­sa­che­klage erzwingen

Damit zwingen Sie den Antrag­steller dazu, innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist eine Haupt­sa­che­klage zu erheben. Versäumt der Antrag­steller diese Frist, kann die einst­wei­li­geVerfügung auf Ihren Antrag aufge­hoben werden. Dies gilt auch, wenn sich im Haupt­sa­che­ver­fahren zeigt, dass die Verfügung zu Unrecht ergangen ist. Der Antrag­steller trägt dann sowohl die Kosten des Verfügungs- als auch des Haupt­sa­che­ver­fahrens.

Möglichkeit 5: Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände

Haben sich die Umstände nach dem Erlass einer Verfügung verändert, haben Sie als Antrags­gegner die Möglichkeit, eine Aufhebung zu beantragen. Das ist der Fall, wenn sich beispiels­weise Rechtsänderungen und Änderungen der höchstrich­ter­lichen Recht­spre­chung ergeben, die dem Verfügungs­an­spruch den Boden entziehen.

Möglichkeit 6: Abschluss­schreiben und Abschlus­serklärung

Die Abschlus­serklärung ist der häufigste und wahrscheinlich schnellste Weg, mit einer einst­wei­ligen Verfügung umzugehen ‒ sofern Sie sich nicht im Unrecht sehen. Nach Erhalt des Erlasses geben Sie eine Abschlus­serklärung ab. In der Erklärung erkennen Sie die einst­weilige Verfügung damit als endgültige und verbind­liche Regelung an, sodass es keines separaten Haupt­sa­che­ver­fahrens mehr bedarf. Geben Sie die Abschlus­serklärung unbedingt zeitnah nach der Zustellung der Verfügung ab, sonst droht möglicher­weise ein – weitere Kosten verur­sa­chendes – Abschluss­schreiben der Gegen­seite.

Übrigens: Eine Verfügung einfach zu ignorieren, ist keine Lösung. Im Zweifel wird sehr schnell eine Strafe – etwa in Form eines Ordnungs­geldes – fällig, wenn Sie sich nicht an den gericht­lichen Titel halten. Behalten Sie außerdem im Hinterkopf, dass es sich bei einer Verfügung nicht um eine endgültige Regelung handelt. Das letzte Wort wird im Haupt­sa­che­ver­fahren gesprochen.

Wer zahlt die Kosten des Verfahrens?

Wer die Kosten für die einst­weilige Verfügung trägt, steht in der Entscheidung über die Verfügung. In der Regel ist das der Antrags­gegner. Spricht das Gericht weniger zu, als der Antrag­steller beantragt hat, kommt eine sogenannte Kosten­quo­telung in Betracht, bei der anteilige Kosten dem Antrag­steller auferlegt werden.

Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem vom Gericht festge­setzten Streitwert. Dazu kommen die Gerichts­kosten und außergericht­liche Kosten, zum Beispiel die Kosten für einen Rechts­anwalt.

Im Unter­schied zu einer Klage ist ein Antrag­steller bezüglich der Gerichts­kosten von der so genannten Kosten­vor­schuss­pflicht befreit. Das bedeutet, die Kosten sind nicht vor, sondern nach der gericht­lichen Entscheidung zu zahlen.

Schadenser­satz­ansprüche

Für den Fall, dass Sie sich zu Unrecht an Auflagen einer Verfügung halten mussten, können Sie nach § 945 ZPO grundsätzlich Schadensersatz vom Antrag­steller verlangen. Zum Beispiel, wenn Sie gezwungen waren, Ihr Geschäft aufgrund einer Auflage zu schließen und unter Umsatzeinbußen leiden mussten. Dabei handelt es sich um einen konkreten Schadensfall, den Sie über das Gericht in Form einer Schadenser­satz­klage geltend machen können.

Unser Tipp: Qualifizierte Hilfe

Das Verfahren rund um die einst­weilige Verfügung ist komplex und die Lösungen so vielfältig wie das Problem selbst. Eine Anwältin oder ein Anwalt kann Ihnen dabei helfen, die Übersicht zu behalten, Akten­ein­sicht fordern und Sie den gesamten Prozess über begleiten.

Quelle: Deutsche Anwaltauskunft