Matratzenkauf im Internet: Gibt es ein Recht auf Rückgabe?
Der Rechtsstreit um eine im Internet gekaufte Matratze bleibt vorerst weiter ungeklärt. Der Bundesgerichtshof hat den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Der muss nun urteilen, ob eine von der Schutzfolie befreite Matratze umgetauscht werden darf.
Gestritten wird über die im Netz erstandene Matratze bereits mehrere Jahre, daher soll an dieser Stelle noch einmal kurz rekapituliert werden: Der Kläger hatte 2014 bei einer Onlinehändlerin eine Matratze für 1.095 Euro bestellt. Bei der Lieferung war das Produkt in einer Schutzfolie verpackt. Der Kunde entfernte die Folie und probierte die Matratze aus. Weil er unzufrieden war, wollte er die Matratze zurückgeben. Allerdings weigerte sich die Händlerin, eine Spedition mit der Abholung zu beauftragen. Der Kunde tat das dann selbst und forderte den Kaufpreis und die Versandkosten zurück – insgesamt 1.190 Euro. Die Händlerin weigerte sich allerdings. Sie habe die Matratze gar nicht zurücknehmen müssen, weil die Schutzfolie beschädigt war.
Seitdem hat sich in der Auseinandersetzung um einige Schritte weiterbewegt: Die Händlerin hat die Matratze bereits zurückgenommen und den Kaufpreis erstattet. Vor Gericht wird lediglich um die Kosten der Rücksendung gestritten, die allerdings bei Speditionsware recht hoch ausfallen können. Welche Konsequenzen wird ein EuGH-Urteil in der Sache nach sich ziehen?
Variante 1: Der EuGH stuft die Schutzfolie als „Versiegelung“ ein und die Matratze als „Hygieneartikel“, bei dem der Widerruf ausgeschlossen ist
Unter dem Vorbehalt, dass die Vertragsparteien nicht individuell etwas anderes vereinbart haben, schließt § 312g Absatz 2 Nr. 3 BGB das Widerrufsrecht aus für Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
Im vorliegenden Fall ist dann ein Widerruf nicht mehr möglich, wenn die Folie entfernt ist. Das ist für Kunden ungünstig. Unter Umständen könnte sich das Urteil dann auch auf andere Fälle auswirken. Allerdings wird der EuGH dann wohl definieren, was genau als Versiegelung gilt. Daraus dürfte sich zumindest Rechtssicherheit für zahlreiche künftige Fälle ergeben.
Variante 2: Schutzfolie ist keine „Versiegelung“, oder die Matratze ist kein „Hygieneartikel“
In diesem Fall ist das Widerrufsrecht gegeben, auch wenn der Kunde die Folie entfernt hat. Allerdings muss der Käufer dann unter Umständen Wertersatz nach § 357 Abs. 7 BGB leisten.
Das Amtsgericht Köln hatte in einem Fall zum Matratzenkauf entschieden: Zwei Nächte zu testen ist in Ordnung, fünf Nächte sind zu viel (AZ: Az. 119 C 462/11).
Letztlich geht es beim Widerrufsrecht darum, dass der Kunde die Möglichkeit hat, die Ware zu testen. Die Bedingungen müssen vergleichbar mit denen im stationären Einzelhandel sein. Dort können die Kunden Probe liegen, aber nicht mehrere Nächte auf der Matratze schlafen, bevor sie sich entscheiden.
Welche Anforderungen sind an eine Versiegelung zu stellen? Und wie weit soll der Ausschluss des Widerrufsrechts aus Hygienegründen gehen?
Der EuGH muss entscheiden, ob die Schutzfolie, in der Matratzen üblicherweise verpackt sind, bereits als Versiegelung gilt. Zudem müssen die Richter beurteilen, ob es sich bei Matratzen um Waren handelt, die „aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind“. Das ist bislang umstritten. Im Leitfaden der EU-Kommission zur EU-Richtlinie zu Verbraucherrechten werden in Schutzfolie verpackte Matratzen diesen Waren zugeordnet. Dieser Leitfaden ist allerdings nicht verbindlich.
Wünschenswert wäre, wenn der EuGH genau definiert, was als Versiegelung gilt und Klarheit für Händler und Kunden schafft. Zum Beispiel könnte dies durch eine ausdrückliche Warnung auf der Folie geschehen, etwa mit dem Aufdruck: „Wenn Sie die Folie entfernen, verlieren Sie Ihr Widerrufsrecht.“
Betrifft die Entscheidung auch noch weitere Fälle – beispielsweise Rasierapparate, Erotikzubehörartikel oder Sexspielzeug?
Bei einigen Artikeln ist unstreitig, dass man sie nicht mehr zurückgeben kann, wenn die Originalverpackung geöffnet ist. Das gilt zum Beispiel für Zahnbürsten und Dinge, die der Intimsphäre zuzuordnen sind, aber auch für Kosmetika, die mit einer abziehbaren Alufolie geschützt sind. Hier ist das Meinungsbild unter den Kunden auch recht klar. Matratzen waren bislang ein Sonderfall.
Wird sich der Onlinehandel durch das Urteil verändern?
Für den Online-Handel mit Matratzen hat das Urteil eine große Relevanz. Je nachdem, wie der EuGH letztlich zum Thema Versiegelung und Hygieneartikel entscheidet, kann das Urteil aber auch für den Kauf anderer Produkte entscheidend sein.
Quelle: Deutsche Anwaltauskunft/Eigene Recherche