Diskri­mi­nierung: Die wichtigsten Regeln der Arbeitswelt

Nach „jungen Mitar­beitern“ oder etwa nach „Kranken­schwestern“ dürfen Arbeit­geber nicht mehr über Stellen­an­zeigen suchen. Denn seit 2006 gilt das Allge­meine Gleich­be­hand­lungs­gesetz (AGG), das Menschen davor schützen will, zum Beispiel wegen ihres Alters oder ihres Geschlechts diskri­mi­niert zu werden. Wir zeigen die wichtigsten Regeln des Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes am Beispiel der Arbeitswelt.

Wieder bei einer Beförderung übergangen? Erst gar nicht zum Bewer­bungs­gespräch einge­laden? Misser­folge im Beruf können an mangelnden Quali­fi­ka­tionen liegen, sie können aber auch in Vorur­teilen von Arbeit­gebern und Perso­nal­ver­ant­wort­lichen begründet sein.

Die Macht von Vorurteilen brechen will das seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG, umgangssprachlich häufig auch Anti-Diskriminierungsgesetz genannt, verbietet jede Form von Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Alters, Geschlechts, ihrer Rasse, ethnischen Herkunft, sexuellen Orientierung, Religion und Weltanschauung oder Behinderung. Zwar greift das Anti-Diskriminierungsgesetz auch im Zivilrecht, sein Schwerpunkt liegt aber auf der Benachteiligung von Menschen in Ausbildung und Beruf.

Benachteiligung im Beruf: Wie verbreitet ist Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Wie verbreitet Diskri­mi­nierung in der Berufs- und Arbeitswelt ist, ist statis­tisch nicht erfasst. Aller­dings dokumen­tiert die Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes regelmäßig Urteile deutscher Gerichte und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Thema Diskri­mi­nierung und aktua­li­siert diese Liste laufend. Darüber hinaus gibt es Erfah­rungs­werte: „Im Arbeits­recht haben wir viele Fälle von Alters­dis­kri­mi­nierung“, berichtet Bernhard Franke, stell­ver­tre­tender Leiter der Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes.

Diskriminierung wegen Namen oder sozialer Herkunft: Nach dem Gesetz erlaubt

Doch auch sehr junge Menschen, die am Beginn ihres Ausbil­dungs­weges stehen, können bereits diskri­mi­niert werden und mit negativen Zuschrei­bungen konfron­tiert sein. Einer Studie der Universität Oldenburg zu Folge unter­stellen etwa Grund­schul­lehrer Schülern oft schon allein wegen deren Vornamen negative oder positive Eigen­schaften. So bewer­teten die Pädagogen Kinder mit Vornamen wie „Kevin“ oder „Maurice“ negativ und ordneten sie bildungs­fernen Milieus zu. Hießen die Kinder dagegen „Charlotte“ oder „Maximilian“ attes­tierten ihnen die Lehrer Fleiß und Talent.

Wenn sich ein erwach­sener „Kevin“ auf eine Stelle bewerben und abgelehnt würde, weil der Arbeit­geber Vorur­teile gegen dessen tatsächliche oder vermeint­liche soziale Herkunft hegt, könnte sich „Kevin“ nicht auf das AGG stützen. Denn das Anti-Diskri­mi­nie­rungs­gesetz verbietet es nicht, jemanden wegen seiner sozialen Herkunft zu benach­tei­ligen.

Diskriminierung wegen regionaler Herkunft: Nach AGG erlaubt

Das AGG verbietet eine „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft“ – Diskriminierung aufgrund der Herkunftsregion ist von dem Gesetz hingegen nicht gedeckt. Dies musste ein Arbeitnehmer erfahren, der sich wegen seiner ostdeutschen Herkunft von zwei vorgesetzten Mitarbeitern gedemütigt fühlte. Unter anderem sah der Mann sich wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt. Er verklagte seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Schadensersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung. Seine Klage blieb erfolglos. Menschen ostdeutscher Herkunft seien keine Mitglieder einer ethnischen Gruppe, stellten die Richter klar (Arbeitsgericht Berlin, 15. August 2019; AZ: 44 Ca 8580/18).

Diskriminierung wegen des Aussehens, Körpergewicht oder Körpergröße: Nach AGG nicht verboten

Auch Diskri­mi­nie­rungen wegen körperlicher Eigen­heiten sind nach dem AGG nicht verboten. Ein anschau­liches Beispiel dafür lieferte 2014 die Klage einer Frau vor dem Arbeits­ge­richt Darmstadt. Sie hatte geklagt, weil sie vermutete, eine Arbeits­stelle wegen ihres Gewichtes nicht bekommen zu haben. Sie sah darin eine Diskri­mi­nierung nach dem AGG. Doch die Richter folgten der Argumen­tation nicht und wiesen ihre Klage ab (AZ: 6 CA 22/13).

Ähnlich entschied das Landes­ar­beits­ge­richt Nieder­sachsen am 29. November 2016. Im zugrun­de­lie­genden Fall wurde der Arbeits­vertrag eines Mannes nicht verlängert, der an schwerer Adipo­sitas (Fettlei­bigkeit) litt. Der Grund war, die Aussage seiner Ärztin, dass bei einer Adipo­sitas per magna mittel­fristig mit einer Gesund­heitsgefährdung zu rechnen sei. Ansprüche auf eine Entschädigung aus dem Antidis­kri­mi­nie­rungs­gesetz lassen sich dem Gericht zufolge hieraus aber nicht herleiten (AZ: 10 Sa 216/16). Adipo­sitas stelle per se keine Behin­derung dar und sei somit kein Merkmal des AGG.

Vorrang für interne Bewerber vor behinderten externen Bewerbern: Keine Diskriminierung

Gerade öffent­liche Arbeit­geber haben eine besondere Pflicht, schwer­be­hin­derten Bewerbern die Möglichkeit zu einem Vorstel­lungs­gespräch zu geben. Bei gleicher Quali­fi­kation sind sie bevorzugt einzu­stellen. Der öffent­liche Dienst kann ein so genanntes gestuftes Ausschrei­bungs­ver­fahren durchführen. Das bedeutet, dass eine Stelle sowohl intern als auch extern ausge­schrieben wird. Die externe Ausschreibung kann in diesem Fall unter dem Vorbehalt stehen, dass externe Bewerber nur dann zum Zuge kommen, wenn sich nicht genug interne Bewerber finden.

Eine externe schwer­be­hin­derte Bewer­berin hat dann keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie nicht zum Vorstel­lungs­gespräch einge­laden wird, weil sich genug interne Bewerber fanden. So hat das Landes­ar­beits­ge­richt Schleswig-Holstein entschieden (Entscheidung vom 18. Dezember 2018, AZ: 1 Sa 26 öD/18).

Diskriminierung wegen Konfession: Nur eingeschränkt erlaubt

In manchen Fällen erlaubt das AGG eine ungleiche Behandlung von Bewerbern und Beschäftigten sogar ausdrücklich. So gestattet das Gesetz Kirchen und Religi­ons­ge­mein­schaften, ihre Mitar­beiter nach der Konfession auszu­suchen.

Das gilt aber nicht in allen Fällen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2018 entschieden hat. Demnach dürfen Kirchen oder andere Arbeit­geber, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder anderen Weltan­schau­ungen beruht, Bewerber ohne entspre­chende Religi­ons­zugehörigkeit nicht bei jeder Stelle ablehnen (Rechtssache C-414/16).

Man müsse zwischen dem Recht der Kirche auf Autonomie und dem Recht der Arbeit­nehmer, nicht aufgrund ihrer Religion diskri­mi­niert zu werden, abwägen. Eine Kirche darf Bewerber nur wegen ihrer Religi­ons­zugehörigkeit ablehnen, wenn die Religion bei der bestimmten Tätigkeit notwendig, geboten und verhältnismäßig ist. Diese Abwägung müsse nach klaren Kriterien vonstat­ten­gehen, die ein Gericht überprüfen könne.

Geklagt hatte eine Frau ohne Konfession, die sich auf eine vom Evange­li­schen  Werk  für Diakonie und Entwicklung ausge­schriebene Stelle beworben hatte. Nach der Stellen­aus­schreibung mussten die Bewerber Mitglied einer evange­li­schen oder der Arbeits­ge­mein­schaft Christ­licher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirche sein. Die Klägerin wurde nicht zu einem Vorstel­lungs­gespräch einge­laden. Da sie eine Benach­tei­ligung aus Gründen der Religion vermutete, verklagte sie das Evange­lische Werk auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 9.788,65 Euro.

Auf der Grundlage des EuGH-Urteils entschied das Bundes­ar­beits­ge­richt schließlich: In Fall der Stelle, auf die die Frau sich beworben hatte, war die Religion keine wesent­liche, rechtmäßige und gerecht­fer­tigte beruf­liche Anfor­derung. Das Gericht sprach der Frau eine Entschädigung von 3.915,46 Euro zu. Das Evange­lische Werk habe sie aufgrund ihrer Religion benach­teiligt (Urteil vom 25.10.2018, AZ: 8 AZR 501/14).

Verbot des Kopftuchs am Arbeitsplatz: Diskriminierung?

Das Thema Religion spielt auch bei der Debatte um das Kopftuch in der Arbeitswelt eine große Rolle. Dabei hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im März 2017 entschieden: Arbeit­geber können das Tragen eines Kopftuchs unter bestimmten Bedin­gungen verbieten. Zum Beispiel, wenn weltan­schau­liche Zeichen generell in der Firma verboten sind und wenn es gute Gründe gibt (Rechtssachen C-157/15 und C-188/15). Das Urteil des EuGH kann sich auf ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland auswirken, die Richter in Luxemburg geben eine generelle juris­tische Richtung vor.

Die vom EuGH verhan­delten Fälle stammen aus der privaten Wirtschaft. Hierzu­lande dreht sich die Debatte bislang besonders um die Frage, ob Kopftuch tragende Frauen im öffent­lichen Dienst arbeiten dürfen.

Im April 2016 urteilte ein Berliner Arbeits­ge­richt: Eine Kopftuch tragende Bewer­berin als Grund­schul­leh­rerin abzulehnen, ist zulässig. Das Berliner Neutralitätsgesetz verbiete Angehörigen des Öffent­lichen Dienstes, religiöse Symbole oder Kleidungsstücke im Dienst zu tragen. Durch diese Regel sah sich die Klägerin diskri­mi­niert. Das Arbeits­ge­richt entschied aber zugunsten des Neutralitätsgesetzes und des Landes Berlin (AZ: 58 Ca 13376/15).

Im Februar 2017 hob das Landes­ar­beits­ge­richt Berlin-Brandenburg dieses Urteil aber auf. Die Richter meinten, das Land Berlin habe die Klägerin durch das Verbot des Kopftuchs diskri­mi­niert und sprachen ihr eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern zu. Gegen das Urteil ließ das Landes­ar­beits­ge­richt die Revision beim Bundes­ar­beits­ge­richt zu (AZ: 14 Sa 1038/16).

Im Januar 2015 hatte das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt entschieden, dass ein generelles Kopftuch­verbot an Schulen nicht statthaft sei (Beschluss vom 27.01.2015, AZ: 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10).

Diskriminierung im Beruf: Beweislast für Benachteiligung liegt beim Arbeitnehmer

Die Regeln des AGG ermöglichen es einem sich diskri­mi­niert fühlenden Arbeit­nehmer, vor ein Arbeits­ge­richt zu ziehen und seine Rechte dort durch­zu­setzen.

Aller­dings muss der Arbeit­nehmer die Benach­tei­ligung beweisen, eine Vorgabe, die sich häufig als schwierig in der Umsetzung erweist. Denn Betroffene haben zum Beispiel keinen Anspruch darauf, zu erfahren, wen der Arbeit­geber statt seiner einge­stellt hat. Wüsste man dies, hätte man vielleicht einen Anhalts­punkt für eine mögliche Diskri­mi­nierung. Doch die Einstel­lungs­kri­terien für eine Stelle muss ein Arbeit­geber nicht offen­legen, wie der EuGH in einem seiner Urteile deutlich gemacht hat (Rechtssache C-415/10).

Benachteiligung: Vermerk auf der Bewerbung als Beweis für Diskriminierung

„Beweise für eine Diskri­mi­nierung gelingen oft nur, wenn der Arbeit­geber einen Fehler macht“, sagt Bernhard Franke, stell­ver­tre­tender Leiter der Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes. Ein solcher Fehler liegt dann vor, wenn der Arbeit­geber oder der Perso­nal­ver­ant­wort­liche auf einer Bewerbung vermerkt, dass ein Bewerber für eine Stelle nicht infrage kommt, weil er zum Beispiel behindert ist, obwohl er die Tätigkeit trotz Behin­derung ausüben könnte. Wenn so markierte Bewer­bungs­un­ter­lagen zurück an den Bewerber gehen, erhält dieser einen Beweis, den er vor Gericht gegen das Unter­nehmen nutzen kann.

Ein expli­ziter Beweis für eine Diskri­mi­nierung liegt auch vor, wenn ein Arbeit­geber in einer Stellen­an­zeige nach Arbeit­nehmern sucht, die einer bestimmten sozialen Gruppe angehören. So suchte die Berliner Tages­zeitung 2014 mit einer Stellen­aus­schreibung eine Volontärin mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Bewer­bungen von Männern lehnte die Zeitung von vornherein ab. Ein Bewerber sah sich diskri­mi­niert, klagte auf Entschädigung und bekam vom Landes­ar­beits­ge­richt Berlin-Brandenburg Recht (AZ: 42 Ca 1530/14).

Das AGG verbietet Diskri­mi­nierung, es fordert aber keine Förderung etwa von Frauen oder Migranten. Man muss deshalb aufpassen, dass man nicht über das Ziel hinaus­schießt, wenn man eine Gruppierung bevorzugt. Dann benach­teiligt man vielleicht eine andere. Deshalb sind vielerorts zum Beispiel besondere Vorteile für ältere Mitar­beiter verboten worden, denn diese diskri­mi­nierten die Jüngeren im Unter­nehmen. Auch eine Urlaubs­staf­felung nach Alter im Öffent­lichen Dienst ist nach einem Urteil des Bundes­ar­beits­ge­richts nicht mehr statthaft (AZ: 9 AZR 529/10).

Wer als Arbeit­nehmer eine Diskri­mi­nierung vor Gericht beweisen kann, hat gute Chancen auf eine Entschädigung. Diese liegt bei drei Brutto­mo­natsgehältern, man muss die Diskri­mi­nierung aber innerhalb von drei Monaten geltend machen.

Diskriminierungen: Welche rechtlichen Möglichkeiten außer Klagen gibt es?

Wer sich zum Beispiel in einem Unter­nehmen intern erfolglos auf einen Posten beworben hat, sollte zunächst weniger an eine Klage denken, sondern andere Instru­mente nutzen, um gegen eine eventuelle Benach­tei­ligung vorzu­gehen. Zunächst sollten Betroffene mit dem Arbeit­geber sprechen. Wenn das nicht hilft, sollte man die betriebs­in­ternen Möglich­keiten zur Beschwerde nutzen. Dafür können Betroffene etwa in manchen Unter­nehmen das interne Beschwer­de­ma­na­gement nutzen, Betroffene können auch Betriebs- und Personalräte ansprechen.

Gegen Diskriminierung: Modellprojekt zur anonymisierten Bewerbung

Die Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes hat 2011 ein Modell­projekt zur anony­mi­sierten Bewerbung initiiert, an der sich öffent­liche und private Arbeit­geber beteiligt haben. „Das Projekt hat gezeigt, dass vor allem Migranten und Frauen durch anonyme Bewer­bungen bessere Chancen haben, zum Bewer­bungs­gespräch einge­laden zu werden“, erklärt Sebastian Bickerich, Sprecher der Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes.

Quelle: Deutsche Anwaltauskunft