Augen­blicks­ver­sagen hilft bei Fahrverbot

Wer im Auto geblitzt wird, den Führerschein verliert aber das die Geschwin­digkeit anzei­gende Straßenschild zuvor übersehen hat, kann unter Umständen mit Milde bei der Bestrafung hoffen. Manchmal hilft das so genannte Augen­blicks­ver­sagen.

Augenblicksversagen meint, was das Wort besagt: Für einen kurzen Moment ist man unaufmerksam. Das kann beispielsweise im Job passieren, wenn man immer wieder das gleiche tut und dabei mal ein Fehler unterläuft. Vor allem aber ist der Begriff im Verkehrsrecht wichtig: Wer am Steuer einen Augenblick lang unaufmerksam ist und in Folge des Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung seinen Führerschein verliert, kann diesen unter Umständen zurück bekommen – sofern ein Gericht ein Augenblicksversagen anerkennt. Dies kann auf Autobahnen geschehen; etwa, bei vielen Baustellen, ständig wechselnden Tempolimits und unübersichtlichen Ausschilderungen. Statt einer „groben“ würde es sich um eine „einfache Fahrlässigkeit“ handeln.

Wann man sich auf Augenblicksversagen berufen kann

Der Bundesgerichtshof hat vor Jahren hierzu eine grundlegende Entscheidung getroffen: Ein Fahrverbot kann dann erteilt werden, wenn subjektiv eine besonders verantwortungslose Verhaltensweise des Fahrers vorliege, also etwa eine deutliche Geschwindigkeitsübertretung. Fehle dieses Merkmal allerdings, so damals die Richter, dürfe kein Fahrverbot erteilt werden – etwa, wenn ein Augenblicksversagen vorliegt (Urteil vom 11. September 1997; Az.: 4 StR 638/96).

Wann aber hat man als Fahrer Chancen auf Milde der Justiz? Eine Art Checkliste oder gar einen Kriterienkatalog, wann ein Augenblicksversagen vorliegt, gibt es leider nicht. Entscheidungen zum Augenblicksversagen sind immer Einzelfälle. Chancen hat man aber dann, wenn der Führerschein wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung und dem Blitzer-Beweis eingezogen wurde, allerdings nur ein Straßenschild auf das erlaubte Tempo hingewiesen hat.

Ein Gericht würde dann wahrscheinlich einen Beschil­de­rungsplan anfordern, um zu überprüfen, inwieweit der Fahrer die Wahrheit sagt. Wäre dem so, könnte das Fahrverbot rückgängig gemacht werden. Beifahrer, die die Sicht­weise des Fahrers bezeugen, helfen in einem solchen Fall nicht.

Gerichte befassen sich häufig mit der Frage des Augen­blicks

Der Blick auf die bishe­rigen Gerichts­ent­schei­dungen zum Augen­blicks­ver­sagen machen deutlich, dass es stets Einzelfälle sind, denen sich die Richter gegenüber sehen. In einem Fall fuhr der Betroffene über eine rote Ampel. Die Folge: Geldbuße und Fahrverbot. Doch hob das Oberlan­des­ge­richt Hamm das Verbot auf, da die Ampel bereits längere Zeit auf Rot stand (4 Ss OWi 533/02). Starke Fahrbahnschäden als Begründung eines Augen­blicks­ver­sagens reichten in einer anderen Entscheidung dagegen nicht aus (Oberlan­des­ge­richt Oldenburg; Az.: 2 SsBs 280/13).

Auch vorbestrafte Raser können fahrlässig handeln

Was das Augen­blicks­ver­sagen nicht bedeutet: dass man norma­ler­weise aufmerksam fährt, sich nie verkehrs­widrig verhalten hat und nur einmal unauf­merksam war. Auch wer bereits Punkte auf seinem Flens­burger Konto hat, kann sich, wenn es der Fall war, auf das Augen­blicks­ver­sagen berufen.

Viel leichter als ein Augen­blicks­ver­sagen zu bestimmen, ist der umgekehrte Fall: Der Verstoß gegen allgemein geltende Regeln im Straßenverkehr kann dadurch nicht gerecht­fertigt werden – etwa das Überschreiten von 100 km/h außerhalb geschlos­sener Ortschaften. In diesem Fall würden die Gerichte aller Wahrschein­lichkeit nach auf eine vorsätzlich begangene Ordnungs­wid­rigkeit schließen. Denn diese Regel muss jedem Führerschein­be­sitzer bekannt sein.

Auch eine Frage der Versicherung

Dabei kann sich das Augenblicksversagen noch an anderer Stelle positiv auf einen Fahrer auswirken – jenseits der möglichen Rücknahme eines verhängten Fahrverbots: im Versicherungsrecht. Denn wer einen Autounfall „grob fahrlässig“ herbeigeführt haben soll, muss in der Folge damit rechnen, dass die Versicherung die Entschädigungsleistung kürzt – oder ganz ablehnt. Grob fahrlässiges Verhalten kann etwa bei extrem überhöhter Geschwindigkeit vorliegen oder auch beim Fahren im alkoholisierten Zustand. Wer sich begründet auf ein Augenblicksversagen beruft, kann unter Umständen dennoch die ganze oder zumindest den Großteil der Entschädigungsleistung erhalten.

Wann man sich auf ein Augen­blicks­ver­sagen berufen sollte

Dann, wenn es stimmt! So einfach und gleich­zeitig kompli­ziert ist das. Aber tatsächlich: Die unter­schied­lichsten Verkehrs­de­likte passieren aufgrund einer ganz kurzen Unauf­merk­samkeit. In diesem Fall sollten die Chancen des Einspruchs gegen den Führerschei­n­entzug geprüft werden.

Quelle: Deutsche Anwaltauskunft