Angebote, Inhaltsstoffe, Superkräfte: Was darf Werbung?
Werbung ist im Fernsehen, im Internet und in Printmedien allgegenwärtig. Doch auch für Werbung gibt es gibt Grenzen: Irrführende Beschreibungen oder Aussagen dürfen die Werbemacher nicht verwenden. Was darf Werbung nun und was nicht? Wir fassen die wichtigsten Urteile der vergangenen Monate zusammen.
„Nur natürliche Zutaten“, „bekömmlich“, „fördert das Lernen“ – glaubt man der Beschriftung auf den Produktverpackungen und der dazugehörigen Werbung, sind alle im Supermarkt erhältlichen Lebensmittel gesund und machen schlau. Da allerdings immer noch viele Menschen erkranken, wird klar: Irgendetwas stimmt da nicht. Jeder weiß zwar, dass Werbung die Realität schön färbt. Immer wieder stärken aber auch die Gerichte die Rechte der Verbraucher und untersagen allzu irreführende Werbung. Wir zeigen Ihnen drei aktuelle Beispiele.
Bier und „bekömmlich“: Kann denn Bekömmlichkeit Sünde sein?
Darf Bier als „bekömmlich“ bezeichnet und beworben werden? Darum stritten der Berliner Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) und die Brauerei Härle aus Leutkirch in Baden-Württemberg. Die Brauerei hatte einige ihrer Biersorten mit dem Begriff „bekömmlich“ angepriesen. Der VSW fand jedoch, dass der Begriff die Gefahren des Trinkens von Alkohol verschweige und klagte dagegen.
Bier darf nicht als „bekömmlich“ beworben werden
Die Richter des Oberlandgerichts (OLG) Stuttgart gaben dem Verband Recht. Der Begriff „bekömmlich“ sei mit „gesund“ oder „leicht verdaulich“ gleichzusetzen. Er könne so verstanden werden, dass das Getränk auch bei langfristigem Gebrauch keinen Schaden anrichte. Sie entschieden, dass Bier nicht so beworben werden darf.
Bei dem Rechtsstreit ging es im Grunde um die Auslegung der sogenannten Health-Claims-Verordnung. Sie regelt EU-weit, wann Lebensmittel als „kalorienarm“ oder „reich an Vitaminen“ und damit als gesundheitsfördernd beworben werden dürfen. Das EU-Recht verbietet für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol Angaben, die eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggerieren.
Zum Schutz der Verbraucher dürfen Hersteller weder auf dem Etikett noch in der Werbung solche Begriffe verwenden. Der VSW hatte sich außerdem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2012 berufen. Demnach dürfen Winzer nicht mit den Begriffen „bekömmlich“ oder „sanfte Säure“ für ihren Wein werben.
Brauereichef Gottfried Härle hatte gegen dieses Urteil Revision eingelegt. In nächster Instanz kam der Streit vor den Bundesgerichtshof. Den Karlsruher Richtern bekam die Werbung der Brauerei ebenfalls nicht. Sie entschieden zugunsten des VSW: Bier darf nicht mit dem Begriff „bekömmlich“ beworben werden (Urteil vom 17. Mai 2018, AZ: I ZR 252/1).
Himbeer-Vanille-Tee ohne Himbeeren und Vanille: Schöne Verpackung und nichts dahinter?
Streit im Werbeslogans gibt es nicht nur beim Bier: Kürzlich entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über die zulässige Beschriftung auf der Verpackung eines Früchtetees für Kinder, dem „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“ von Teekanne (Urteil vom 2. Dezember 2015, AZ: I ZR 45/13). Auf der Verpackung prangte die beliebte Kinderbuchfigur mit Skateboard. Verführerische Himbeeren und eine Vanilleblüte machten das Bild komplett. Dazu war folgender Hinweis prominent platziert: „nur natürliche Zutaten“.
Der Tee enthielt allerdings weder Himbeeren noch Vanille, sondern nur Aromen mit Vanille- und Himbeergeschmack. Solche Aromen werden laut Verbraucherschützern aus Rohstoffen wie Holzspänen gewonnen, das Aroma Vanillin etwa aus Öl, Nelken oder Zuckerrüben.
Aufschrift darf nur Zutaten aufzählen, die das Produkt auch enthält
Der Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) bezeichnete dies als Werbelüge und Irreführung der Verbraucher – und klagte gegen Teekanne. Im Februar 2014 landete der Fall beim BGH, der ihn dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte. Die Luxemburger Richter entschieden im Juni 2015, dass Hersteller grundsätzlich nicht mit Bildern von Zutaten auf der Verpackung werben dürfen, die gar nicht im Produkt enthalten sind (Rechtssache C 195/14).
Es war dann am BGH, den Luxemburger Spruch in deutsches Recht umzusetzen. Er verbot die Aufschrift auf der Verpackung des Tees als irreführende Werbung. Teekanne nahm das Tee-Abenteuer daraufhin aus dem Sortiment.
Rotbäckchen „Lernstark“: Konzen trierter Saft für konzen trierte Kinder?
Der vzbv hatte gegen Rabenhorst geklagt, den Hersteller des Rotbäckchen-Saftes. Dieser hatte einen seiner Säfte mit dem Begriff „lernstark“ beworben, da er „Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“ enthalte. Dem vzbv zufolge verstößt dies gegen die europäische Health-Claims-Verordnung. Sie regelt, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben die Hersteller bei der Werbung für ihre Produkte machen dürfen und welche nicht.
Damit sollen Verbraucher vor irreführenden, wissenschaftlich nicht belegten und nicht zugelassenen Angaben geschützt werden. Bei der Entwicklung und Gesundheit von Kindern ist die Verordnung besonders streng.
Kindersaft mit Eisen darf als lernfördernd bezeichnet werden
Der BGH gab dem Safthersteller aber am 10. Dezember recht (AZ: I ZR 222/13). Den Richtern zufolge sind die Werbeaussagen von der Verordnung gedeckt. Denn diese lässt folgende Aussage zu: „Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei“. Der von Rabenhorst gewählte Slogan: „Mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“ sei daher zulässig.
Ab wann dürfen Schlafzimmermöbel als vollständige Ausstattung bezeichnet werden?
Geht es um größere Anschaffungen als den Kauf von Bier, Saft oder einer Packung Teebeutel, darf Werbung etwas mehr als bei Lebensmitteln. Und zwar weil man bei einer teureren Anschaffung davon ausgehen kann, dass der Verbraucher sich den kompletten Text der Anzeige durchliest oder zumindest genau nachfragt, was im Preis enthalten ist. So hat der BGH entschieden (Urteil vom 18. Dezember 2014, AZ: I ZR 129/13).
Ein Möbelhaus hatte eine Schlafzimmereinrichtung, die aus einem Drehtürenschrank, einem Doppelbett und Nachtkonsolen bestand, als „Schlafzimmer komplett“ und einer Abbildung beworben, auf der ein Bett mit Matratze und Lattenrost zu sehen war. Die Preisangabe war nicht mit einem Sternchen gekennzeichnet. Im erklärenden Text, der in der unteren Ecke in kleiner Schrift abgedruckt war, war allerdings angeführt, dass Lattenrost, Matratze, Decken und Kissen im Angebot nicht enthalten waren.
„Schlafzimmer komplett“ muss kein komplettes Schlafzimmer sein
Ein Verbraucherschutzverein hatte die Werbung als irreführend betrachtet und dagegen geklagt. Die Richter des BGH waren anderer Meinung: Bei einem Kauf in dieser Preisklasse würden sich die Kunden genau informieren und den kompletten Text lesen. Dennoch müssten Hersteller allerdings darauf achten, dass deutlich gekennzeichnet wird, was im Angebot enthalten ist und was nicht.
Tabakwerbung: Darf ein Tabakhersteller auf seiner eigenen Webseite für Tabak werben?
Werbung für Zigaretten und andere Tabakprodukte ist in Deutschland streng reguliert. Selbst auf der Webseite des Herstellers kann Tabakwerbung verboten sein. Das hat der BGH am 5. Oktober 2017 entschieden (AZ: I ZR 117/16).
Im genannten Fall ging es um ein mittelständisches Tabakunternehmen. Die Inhalte auf seiner Webseite sind zwar nur nach einer elektronischen Altersabfrage sichtbar. Auf der Startseite war im November 2014 aber eine Abbildung zu sehen, die vier gut gelaunte, rauchende Personen zeigte. Ein Verbraucherschutzverband hatte das für unzulässig gehalten und geklagt. Er fordert von dem Hersteller, nicht mehr mit dem Bild zu werben und ihm die vorgerichtlichen Abmahnkosten zu erstatten.
Der BGH gab dem Verband Recht. Für die Richter stellte das Bild auf der Startseite einen sogenannten Dienst der Informationsgesellschaft dar. Das sind Dienste, die im Internet Informationen zum Abruf bereitstellen. Das zählen Suchmaschinen und Online-Werbung. Das Bild falle deshalb, so die Richter, unter das Takabwerbeverbot.
Werbung für Tabakprodukte müsse auf diejenigen Magazine und Zeitschriften beschränkt werden, die sich nicht an die breite Öffentlichkeit richten. Die Startseite der Unternehmenswebseite wende sich allerdings an die breite Öffentlichkeit. Das genannte Bild sei daher verboten.
Darf ein Waschmittelhersteller mit kostenlosen Proben werben?
In manchen Gerichtsverfahren um Werbung geht es gar nicht um die Slogans und Bezeichnungen. Die Firma Procter & Gamble musste sich kürzlich vor dem Landgericht (LG) Frankfurt verantworten. Sie hatte im Rahmen einer Werbeaktion Probepackung eines Flüssigwaschmittels in Briefkästen verteilt. Einige Empfänger hatten sich bei der Verbraucherzentrale darüber beschwert. Oft hätten Kinder Zugang zum Briefkasten. Sie dürften das Waschmittel aber nicht in die Hände bekommen, da es Augenschäden und Hautreizungen hervorrufen könne. Das LG Frankfurt entschied am 14. August 2018, dass die Werbeaktion unzulässig war (AZ: 3-06 O 8/18).
Was bedeutet das alles für Verbraucher?
Für Konsumenten gilt: Augen auf beim Einkaufen. Auch wenn Rabenhorst und der Möbelhändler Recht bekommen haben, heißt das nicht, dass in allen Produkten wirklich das enthalten ist, was die Packung oder die Werbeanzeige zeigt. Auch bei unerwünschten oder für Kinder möglicherweise gefährlichen Wurfsendungen können Verbraucher erfolgreich gegen das Unternehmen vorgehen. Werbung darf also einiges – aber nicht alles.
Quelle: Deutsche Anwaltauskunft